Polygenos – Verschwörungsideologe im Vorstand?

Update:

Am 13.11.2021 trat Alexander Goretzki von seinem Vorstandsposten innerhalb der Polygenos zurück.
Die Genossenschaft selbst war bis zuletzt nicht in der Lage, den Verschwörungsideologen öffentlich zu kritisieren.
Stattdessen wurde unsere Kritik als verleumderisch dargestellt, Goretzki der Rücken gestärkt und seine Beteiligung an den „Querdenken“-Demos als Privatsache zu den Akten gelegt.

Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass die Polygenos eine mangelnde Sensibilität gegenüber Antisemitismus und regressiver Ideologien im Allgemeinen aufweist.
Goretzki mag Lippenbekenntnisse „gegen rechte und Antisemitische Strömungen“ abliefern – tatsächlich aber ist er Mitglied einer Antisemit*innenpartei im Sinne Rudolf Steiners (dieBasis) und macht sich regelmäßig mit Rechten gemein (wie bspw. auf den zahlreichen Demos der „Freien Oldenburgern“ auf denen er Seite an Seite mit der Holocaustleugnerin Imke Barnstedt und zahlreichen AfD-Politiker*innen läuft). Das beißt sich, liebe Polygenos, also macht eure Hausaufgaben und arbeitet das Desaster offen und ehrlich auf!


Wir müssen ernüchtert feststellen, dass die Polygenos, ihre Räumlichkeiten und das Polyester keine Orte sind, an denen sich klar von Verschwörungsideologien und Antisemitismus abgegrenzt wird. Wir fordern alle Genoss*innen und Freund*innen auf, sich mit den Verstrickungen und Solidaritätsbekundungen der Polygenos mit Verschwörungsideolog*innen auseinander zu setzen! Für uns ist die Polygenos damit erstmal Geschichte!
Seit wir über die Gründung des Oldenburger Kreisverbands von „dieBasis“ berichtet haben, fragen wir uns, wie wohl die Polygenos auf die Aktivitäten ihres Vorstandsmitglieds Alexander Goretzki reagieren mag.
Polygenos - Verschwörungsideologe im Vorstand? Keine Zusammenarbeit mit der Polygenos, solange sie Verschwörungsideolog*innen in den eigenen Reihen schützt!
Nun haben wir dazu eine Antwort und sind ehrlich gesagt selbst ein wenig überrascht. 
An uns wurden zwei E-Mails weitergleitet, die eine Reaktion auf eine Konfrontation der Polygenos mit den Aktivitäten von Alexander Goretzki sind. Die Erste ist die Reaktion des Vorstands der Polygenos auf unser Einordnung von Goretzki. Die Zweite ist von Goretzki selbst. Am Ende des Textes könnt ihr die beiden E-Mails lesen. Der folgende Text ist ein Kommentar und eine Einordung dazu.

Zum Verständnis, hier nochmal der Text zu Alexander Goretzki: https://aufabstand.noblogs.org/who-is-who/goretzki/ und hier der Text zur Gründung von „dieBasis“ und Goretzki: https://aufabstand.noblogs.org/post/2021/04/20/die-basis-verschwoerungsideologische-parteigruendung-im-nordwesten/#more-952.

Vorstand der Polygenos solidarisiert sich mit Alexander Goretzki

In der uns zugeschickten E-Mail von Vorstandsmitglied Bernd Becker und im Namen aller Vorstandsmitglieder steht:

Wir wussten ja schon längst, dass die meinungsmachenden Medien bei vielen Bürger*innen hoch im Kurs stehen, und der Weg von nonkonformem politischen Engagement über den Vorwurf des Verschwörungstheoretikers, bis hin zu dem des Antisemiten, immer kürzer geworden ist. Die unterschiedliche Einstellung zur s.g. Pandemie und den Maßnahmen der Regierung entzweit die Menschen im ganzen Land. Aber, dass Jemand aufgrund eines Artikels meint, über Jemanden Bescheid zu wissen, und die Menschen mit denen er zusammenarbeitet, vor ihm warnen zu müssen, ist – zumindest für uns – nochmal eine ganz neue Qualität.

 

Begonnen wird in der Mail mit dem Begriff des „Nonkonformen politischen Engagements“. Das klingt schön rebellisch, so unangepasst, irgendwie cool und individuell. Das hat nur leider nichts mit der Politik und Ideologie von dieBasis zu tun.

Ein aktuelles Beispiel dafür sind die Äußerungen von dieBasis Bundestagskandidat Sucharit Bhakdi, der sich in einem Interview klar antisemitisch und holocaustrelativierend äußerte.
Gegen Bhakdi wurden aufgrund seiner Äußerungen nun Anzeigen wegen Volksverhetzung gestellt. Seine Partei dieBasis betrachtet die Antisemitismusvorwürfe gegen Bhakdi als „absurde Unterstellung“.
Unserer Erfahrung nach, sind es vor allem Verschwörungsideolog*innen und Antisemit*innen oder solche, die ihnen nahe stehen, welche sich über „den Vorwurf des Verschwörungstheoretikers, bis hin zu dem des Antisemiten“ aufregen. 
Aber wenn schon von der „s.g. Pandemie und den Maßnahmen der Regierung […] die Menschen im ganzen Land [entzweit]“ und von „meinungsmachenden Medien“ die Rede ist, ist auch klar, woher der Wind weht.

So steht weiter in der E-Mail:

„Anscheinend bist Du einer vollkommenen Desinformation aufgesessen.
Ich arbeite seit vielen Jahren mit Alexander zusammen und gemeinsam treten wir aktiv für den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer Genossenschaft ein (im letzten Jahr haben wir den „Gewaltakt“ der Gemeinnützigkeitswerdung zusammen beschritten und gemeistert). Auf der letzten Vollversammlung wurde er mit überwältigender Mehrheit und ohne Gegenstimmen von Genossen, die Ihn fast alle persönlich kennen (wieder)gewählt. Du siehst also: die Zusammenarbeit mit ihm ist nicht nur gut überdacht, sondern auch demokratisch legitimiert.“

Die Aktivitäten von und Informationen über Alexander Goretzki sind also „vollkommenen Desinformation“. Was ist schon die (belegte) Mitarbeit in einer verschwörungsideologischen Partei, wenn mensch die Person persönlich kennt. Unter normalen Umständen hätten wir gesagt, da sollte mal wer die eigene Menschenkenntnis überdenken. Aber angesichts dieser Mail ist das wohl hinfällig. Mit der Antwort des Vorstandes
soll die Zusammenarbeit mit Goretzki legitimiert werden, weil dieser in der gesamten Genossenschaft eine derartige Beliebtheit erfahren würde. Wie sich die Mitglieder der Genossenschaft nach den neuen Informationen zu Goretzki verhalten würden, ist schwer zu sagen. Nach den Aussagen des Vorstandes, ist allerdings wohl nicht viel zu erwarten.

Weiter im Text:

„Wir kennen Alexander nicht von twitter oder facebook, sondern persönlich. Der Vorwurf er liebäugele mit Antisemiten ist derart absurd, dass er die Unhaltbarkeit der gemachten Anfeindungen mehr als offensichtlich macht. Ein „Querdenker“ mag er ja sein, schließlich stammt er aus einer Generation, in der kritisches Denken und Meinungsäußerung nicht nur erlaubt waren, sondern geradezu gefördert wurden, en voque waren, aber bei seinen Äußerungen im Namen der Genossenschaft achtet er – wie wir Alle – auf Ausgewogenheit. weil sich in unserer Genossenschaft eben tatsächlich „der Vielfalt und der Begegnung“ verschrieben hat, und Genoss*innen unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften und politischer Fraktionen in ihr gesehen und akzepiert werden.“

 

Dass Verschwörungsideologien, welche in der Regel eine der Menschheit Böses wollende „Elite“ imaginieren und sich damit antisemitischer Erklärungsmuster bedienen, ist jetzt wirklich nichts Neues. Wirklich Absurd ist es, zu behaupten, wir hätten uns die Belege zu seinen Aktivitäten nur ausgedacht.
Die betonte „Vielfalt“ heißt in diesem Fall, dass auch Menschen willkommen sind, die Mitgleid in einer rechtsoffenen und verschwörungsideologisch geprägten Partei sind. Wenn es heißt „Genoss*innen unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften und politischer Fraktionen [werden] in ihr gesehen und akzepiert“, ist das in diesem Fall dann ein Bekenntnis zur Rechtsoffenheit der Polygenos?
(Wir stellen hier nur Fragen :D)
Wenn sein Querdenkertum vollkommen unkritisch hingenommen wird und positiv verstanden wird, „schließlich stammt er aus einer Generation, in der kritisches Denken und Meinungsäußerung nicht nur erlaubt waren, sondern […] en voque waren…“, ist das schon eine bemerkenswerte Realitätsverweigerung.
Abschließend liest sich in der E-Mail:

„Wir arbeiten gerne mit Alexander zusammen und sind froh darüber, dass er mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit so viel seiner Zeit und Energie für die Genossenschaft einbringt.“
Wir sehen hier einen deutlichen Schulterschluss der Polygenos mit einer Person, die tragender Teil des Kreisverbandes „Hunte-Weser-Ammerland“ von dieBasis ist und damit Teil einer Partei, in der unter dem Deckmantel von „Meinungsvielfalt“, „Demokratie“ und „Schwarmintelligenz“, ehemalige AfDler*innen, Corona leugnende Ärzt*innen, Holocaustrelativierungen und Wissenschaftsfeindlichkeit zusammen kommen: https://netzpolitik.org/2021/die-basis-eine-schrecklich-nette-partei/.
Eine Analyse zu Esoterik und Anthroposophie bei den verschwörungsideologischen Parteien, so auch bei dieBasis, findet sich hier: https://anthroposophie.blog/2021/05/07/wieviel-anthroposophie-steckt-in-den-neuen-corona-protest-parteien/.
Mitglieder der Partei sind und waren regelmäßige Besucher*innen der „Querdenken411“ Demonstrationen. In deren Telegram Gruppe wurden und werden alle möglichen Verschwörungsmythen zu u.a. Zwangsimpfungen, Chemtrails und vermeintlichen Maskentoten geteilt. Mit dabei Kanäle wie Eva Herman, Ken Jebsen und viele bekannte Verschwörungsideolog*innen. Inzwischen werden dort von dieBasis Parteikollege Olaf Kastner, neben Politiker*innen, auch Abweichler*innen aus den eigenen Reihen als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet.
Mit all dem scheint der Vorstand der Polygenos nicht nur keine Probleme zu haben, sondern sie sind explizit „froh darüber“, dass Goretzki Teil der Genossenschaft ist.


Alexander Goretzki – gefangen zwischen Verschwörungsideologien, Pandemieleugnung und schlechten Rechtfertigungen

Bemerkenswert ist darüberhinaus auch die zweite E-Mail, die uns zugespielt wurde. Diese stammt von Alexander Goretzki selbst.

„Mir Antisemitismus vorzuwerfen erscheint mir so absurd, dass ich keine Veranlassung sehe, darauf einzugehen. Vielleicht könnten Sie mir da mit konkreten Beispiele weiterhelfen? Dafür lasse ich Ihnen auf Wunsch gerne Informationen zu Projekten mit meinem jüdischen Duo-Partner [T.]* zukommen, mit dem ich seit circa 15 Jahren zusammenarbeite – sie finden diese aber auch im Internet, wenn Sie z.B. in der Suchmaschine Google unserer beider Namen eingeben.“
Wir wissen nun nicht, was in der vorangegangen Mail stand, aber zumindest haben wir Goretzki nie vorgeworfen, Antisemit zu sein. 
Sich aber von diesem imaginierten Vorwurf frei zu sprechen, mit Hinweis auf die Zusammenarbeit mit jüdischen Personen, ist schon einigermaßen abenteuerlich. Diese Argumentationsweise kennen wir unter anderem auch von Personen, die zum Beispiel für rassistisches Verhalten kritisiert werden und versuchen, sich davon frei zu sprechen.
Ändert aber auch nichts an seiner Mitarbeit bei dieBasis, seinen Verbindungen in antisemitische „Querdenken“ Kontexteund seiner Zusammenarbeit mit Luise de Bruin.
Eine ähnliche Null-Aussage ist der Versuch, die Pandemie zu relativieren, mit Verweis auf Diskussionen über die Pandemie:

„Damit komme ich zu Ihren Anschuldigungen, zunächst zum Leugnen oder Relativieren der Pandemie: Ja, ich leugne das Vorhandensein einer Pandemie. Die einfachste Erklärung lautet: Würden wir uns in einer Pandemie befinden, würde nicht fortwährend darüber gestritten, ob wir uns in einer Pandemie befinden oder nicht. In den offiziellen Statistiken finde ich keine erhöhte Sterblichkeit. Was nicht heisst, dass ich den Tod von Menschen, die an Corona gestorben sind, ignoriere oder gar abstreite.“
Mit dem gleichen Argument könnte er behaupten, die Sonne sei blau und als Beleg anführen, dass das vor ihm schon wer behauptet hätte. Viel mehr müssen wir hierzu auch nicht schreiben, wir denken der Absatz steht für sich. Schlussendlich ist festzuhalten, in der E-Mail steht klar: Goretzki leugnet die Pandemie.
Die Behauptung, in den offiziellen Statistiken fände sich keine erhöhte Sterblichkeit, ist eine wiederkehrende Behauptung in der verschwörungsideologischen Szene:
Zum einen starben 2020 mehr Menschen als in den Vergleichsjahren. Zum Anderen gingen die Zahlen in anderen Bereichen weiter zurück. Beispielsweise im Verkehr.

Weiter wird in der Mail Goretzkis absurdes Verständnis von Verschwörungsideologien deutlich:

„Was den Begriff der Verschwörungsideologie betrifft, so finde ich ihn tatsächlich recht problematisch, insofern er voraussetzt, dass Verschwörungen Ideologien hervorbringen und dass es in unserem Fall um derartige Ideologien geht. […] Unterm Strich würde ich es aber doch als eine ehrenwerte Tat ansehen: Das Aufspüren von Verschwörungen, oder sachlicher ausgedrückt, geheimen Verträgen, verdeckten Kartellen, gefährlichen Interessensgemeinschaften bis hin zur organisierten Kriminalität.“
Goretzki dreht sich in seiner Antwort den Begriff der Verschwörungsideologie, wie es ihm passt. Seine Definition ermöglicht es ihm, seine Positionen zu rechtfertigen und sich selbst als Enthüller von vermeintlichen Verschwörungen zu inszenieren – Ein gängiger Reflex von Verschwörungsideolog*innen.
Goretzki kommt am Ende zu dem Schluss, dass die Aufforderung an die Polyenos, sich mit seinen politischen Aktivitäten auseinanderzusetzen, „Ausdruck einer totalitären Gesinnung sei“. 
Für uns ist es jedoch der Versuch, eine Normalisierung und Etablierung von Verschwörungsideolog*innen in der Gesellschaft und auch in vermeintlich alternativen Räumen zu verhindern. 

Es braucht eine kritische Auseinandersetzung mit Verschwörungsideologien und Vernetzungen in antisemitische Kontexte und vor allem eine deutliche Abgrenzung zu eben diesen.

Wir fordern, keine Zusammenarbeit mit der Polygenos, solange sie sich mit Verschwörungsideolog*innen in den eigenen Reihen solidarisiert und diese schützt!

 

Hier noch die beiden Mails in voller Länge.

Klickt auf die Bilder für eine größere Ansicht.
Die Mail des Vorstands zu Alexander Goretzki:

Die Mail von Alexander Goretzki selbst: